BGL und Stadt Mülheim: Vegetationssysteme zur Senkung der Feinstaub-Belastung
Grünes Pilotprojekt zur Verbesserung der Stadtluft gestartet
Bad Honnef. Die Stadt Mülheim an der Ruhr und der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL) arbeiten gemeinsam an einem „grünen“ Pilotprojekt im Bereich der Mannesmannallee: Durch den Einsatz geeigneter multifunktionaler Vegetationssysteme im Straßenraum soll die Feinstaub-Belastung der Luft gesenkt werden. „Wir wollen eine vegetationsgestützte Handlungsgrundlage schaffen, auf der Kommunen mit dem geringsten Mittelaufwand – auf natürlichem Wege – größtmögliche Effektivität bei der Verbesserung der Stadtluft erzielen können“, erläuterte BGL-Präsident Werner Küsters jetzt bei einem Treffen vor Ort.
Auf dem Mittelstreifen der vierspurigen Mannesmannallee soll in einem rund 300 Meter langen Bereich bis zum Herbst 2005 eine Grünfläche entstehen, deren ausgewählte bodennahe Vegetationsstrukturen wirkungsvoll in der Lage sind, Feinstaub-Partikel aus der Luft in den Pflanzenbestand aufzunehmen und sie auf kurzem Wege dauerhaft dem Bodenbereich zuzuführen. So soll eine erneute Verbreitung des Feinstaubes (zum Beispiel durch Aufwirbelung in der Luft) verhindert werden.
Die EU-Feinstaubrichtlinie und ihre Konsequenzen
Über die Umgehungsstraße in Mülheim-Dümpten, deren Mittelstreifen bereits mit Platanen bepflanzt wurde, werden künftig pro Tag rund 25.000 Fahrzeuge rollen. Der Autoverkehr trägt zur Belastung der Luft mit Feinstaub bei. Die europäische „Feinstaubrichtlinie“ schreibt vor, dass der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft höchstens an 35 Tagen pro Jahr überschritten werden darf. Bereits viele Großstädte konnten diese Grenzwerte nicht einhalten – die Konsequenz sind Maßnahmen bis hin zum Fahrverbot.
Und so werden die Feinstaub-Partikel in die Pflanzflächen eingetragen: durch natürliche Luftströmungen (Wind und mikroklimatischer Luftaustausch), künstliche Luftbewegung (zum Beispiel: Fahrverkehr) und Konditionierung des Umfelds durch die Pflanzen (Taubildung, Verdunstung, Herabsenkung der Luftbewegung im Vegetationsbestand). Neben dem Feinstaub werden auch Partikel aus dem Regenspritzwasser mit darin gelösten Anteilen von Reifen- und Bremsabrieb in die Vegetation eingetragen.
Kooperation für mehr Lebensqualität
Der erste Abschnitt des richtungsweisenden Vorhabens an der Mannesmannallee in Mülheim wurde nun fertig gestellt. Die Präsentation der Anlage durch Vertreter des städtischen Amtes für Verkehrswesen und Tiefbau, des städtischen Umweltamtes sowie die an der Realisierung Beteiligten und engagierte Sponsoren löste reges Interesse in der Öffentlichkeit aus.
Flächeneigentümer ist die Stadt Mülheim a. d. R. , die das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Mitinitiator, dem Landschaftsarchitekten Diplom-Ingenieur Ulrich Zens (Büro für Freiraumplanung, Bottrop), realisiert. Für die Bauausführung zeichnet das Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen Hortus GmbH aus Mülheim a. d. R. verantwortlich. Die Pflanzen kommen aus dem Repositionspflanzen-Kulturbetrieb Flor-Rekult aus Bensheim an der Bergstraße.
BGL-Präsident Werner Küsters erklärte: „Alle reden von der Feinstaub-Belastung und ihren negativen Auswirkungen auf die Menschen. Auf der Suche nach Rezepten zur Verbesserung des Stadtklimas reicht es aber nicht allein, die Einführung von Rußpartikelfiltern für Dieselfahrzeuge voranzutreiben, auch wenn dies sicher ein richtiger Weg ist. Aber so kommen wir erst mittel- bis langfristig einer Lösung des Problems näher.“ Sei die Feinstaub-Problematik bisher eher von der technischen Seite gesehen worden, so stehe man jetzt vor einem Paradigmenwechsel in der Behandlung von Umweltproblemen. Küsters zeigte auf: „Wir Landschaftsgärtner wollen die Natur bewusst einsetzen. Denn Grünflächen mit ihrer natürlichen Filterwirkung nehmen unmittelbar positiven Einfluss auf das Stadtklima.“
Wissenschaftliche Begleitung durch Universität Duisburg Essen
Wissenschaftlich begleitet wird das grüne Projekt zur Verbesserung des Stadtklimas von der Universität Duisburg Essen, an der eigens eine befristete Stelle geschaffen wurde. Im Rahmen einer Untersuchung wollen der Mitiniator, Professor Dr. Hardy Pfanz, Inhaber des Lehrstuhles für Angewandte Botanik, und sein Forschungsteam die potenziellen Leistungen der Vegetation bei der Filterung von Feinstaub aus der Luft untersuchen. Sein Team installierte auf vier Testflächen bereits jede Menge Sensoren. Die Messfühler sollen ein Jahr lang Temperatur, Lichteinstrahlung, Luftfeuchtigkeit und Luftbewegung erfassen. Verglichen werden Bereiche mit Betonplatten, kurz gemähtem Gras, blühender Wildwiese und der Rasenschmiele (Deschampsia caespitosa).
Die Rasenschmiele ist ein anspruchsloses Süßgras. Es wächst in Büscheln mit bogenförmig herabhängenden, über 60 Zentimeter langen Halmen: jede Menge raue Oberfläche, auf der sich Feinstaub-Partikel ablagern können und anschließend zu Boden rieseln oder mit dem nächsten Regen im Bodenbereich gebunden werden.
Die wissenschaftliche Untersuchung soll Erkenntnisse darüber bringen, durch welche Pflanzenkombinationen sich die Selbstreinigungskräfte der Natur optimieren lassen. Mit Blick auf den weltweiten Emissionswertehandel könnten Funktions-Grünflächen, die nicht nur zur Senkung der Kohlendioxid-Belastung der Luft beitragen, künftig „Wirtschaftsflächen“ zum Vorteil des „Flächenwirts“ werden.
Ansprechpartnerin:
Bettina Holleczek
Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V.
Alexander-von-Humboldt-Str. 4, 53604 Bad Honnef
Telefon: 02224 7707-17, Fax: 02224 7707-77, E-Mail: B.Holleczek@galabau.de
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